Service Letzte Änderung: 31.05.2022 15:15 Uhr Lesezeit: 5 Minuten

Erfahrungsbericht, Teil 1: Vom Marathon-Läufer zum Herz-Transplantierten

Norbert Longerich war eigentlich schon ein paar Mal tot. Doch schnelle Reaktionen, die moderne Medizin, ein neues Herz und nicht zuletzt seine eigene Motivation retten ihm sein Leben. Heute engagiert er sich in der Selbsthilfe und begleitet andere Transplantierte auf ihrem Weg.

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© privat
Norbert Longerich

(1/2) „Transplantation? Selbsthilfe? Das sind Begriffe, die ich bis vor etwa zehn Jahren niemals mit mir selbst in Verbindung gebracht hätte. Ich war Anfang 50, topfit, Marathon-Läufer. Als Berufsfeuerwehrmann für ein großes Unternehmen bekam ich regelmäßig Leistungs- und Gesundheitschecks – es war immer alles bestens. Bis zu diesem Morgen.

Vor der Arbeit trainierte ich mit einem Kollegen für den Hamburg-Marathon, bei Kilometer 21 wurde ich aus dem Leben gerissen. Schwerer Herzinfarkt, fünf Herzgefäße waren verschlossen. Bis heute kann sich weder jemand erklären, wie ich so einen schweren Herzinfarkt bekommen konnte, noch, wie ich ihn überleben konnte.

Von da an war nichts mehr, wie es war. Kaum war ich in der Reha, lief meine Lunge immer wieder voll Wasser, die Stents haben nicht funktioniert, kurz darauf bekam ich Erstickungsanfälle. Es war klar: Das Herz tat es nicht mehr. Die Ärzte überzeugten mich, mir eine Herz-Pumpe einbauen zu lassen. Dabei wird eine Pumpe implantiert, ein Kabel führt aus dem Körper zur externen Batteriegerät. Die Batterie hält etwa vier Stunden. Geht zwischendurch mal etwas kaputt oder die Verbindung wird unterbrochen, hat man 30 Sekunden Zeit, alles wieder ans Laufen zu bringen, sonst bleibt das Herz stehen. Keine guten Aussichten für ein unbeschwertes Leben – aber zumindest eine Aussicht auf ein Weiterleben.

Nach der Operation wartete meine Frau im Aufwachraum auf mich. Meine ersten Worte, als ich die Augen aufschlug waren ‚Mach doch bitte mal das Licht an.‘ Sie verstand nicht sofort, was ich meinte. Es war taghell in dem Raum, alle Lampen waren an. Für mich war es stockdunkel. Es stellte sich heraus: Während der Herz-OP hatte ich eine Hirnblutung erlitten, die sich auf mein Sehvermögen auswirkte. Ich war de facto blind. Das war fast noch ein größerer Schock als meine Herz-Diagnose. Durch viel Unterstützung von Experten und unzählige Trainingsstunden kehrte mein Sehvermögen zurück. Doch die Hirnblutung hatte noch weitere Auswirkungen: Meine Fremdsprachenkenntnisse waren komplett weg und ich musste neu lesen lernen – wie ein Erstklässler. Trotz allem: Nach fast einem Jahr konnte ich wieder in den Beruf zurückkehren, mein Team wurde für Notfälle mit meiner Herzpumpe geschult. Die Kollegialität war klasse.

Für 4,5 Jahre kehrte so etwas wie Alltag ein – soweit das mit der Pumpe möglich ist. Dann kam ich von der Arbeit aus wieder als Notfall ins Krankenhaus – und für die nächsten Monate auch nicht wieder raus. Ein Thrombus hat die Arbeit der Pumpe blockiert, eine neue Pumpe einzubauen war nicht möglich. Ich kam auf die Dringlichkeitsliste für eine Herztransplantation, wurde ständig maschinell überwacht. Besuch und ein bisschen Arbeit vom Krankenbett aus lenkten mich ab. Ich wusste nicht, wie lange ich noch leben würde, aber ich konnte nicht ständig darüber nachdenken. Deswegen war ich für die Beschäftigung dankbar. Am 31. Dezember 2015, nachts um 1 Uhr kam die Nachricht: Es gibt ein Herz für mich. Ich könne noch bis etwa sechs Uhr schlafen, dann würde ich fertig gemacht für die Transplantation. In diesem Moment hatte ich keine Angst mehr. Ich war in den Jahren zuvor fast nie so entspannt eingeschlafen wie in dieser Nacht. Ich wusste: Jetzt geht mein Leben weiter.“

Mehr dazu, wie sein Leben weiterging in Teil 2: Vom Herz-Transplantierten zum Selbsthilfe-Gruppenleiter

Thema des Monats

Am 4. Juni ist "Tag der Organspende". Verschiedene Institutionen und Patientenverbände veranstalten den Aktionstag gemeinsam. Die KV Nordrhein widmet sich im Juni 2022 diesem Schwerpunktthema.

Mehr Informationen rund um die Organspende, Ausweise zum Herunterladen, Kriterien zur Entnahme und Vergabe sowie Erfahrungsberichte unter:
 

www.tagderorganspende.de

www.organspende-info.de

www.netzwerk-organspende-nrw.de

www.lebensritter.de