Service Letzte Änderung: 20.04.2023 17:43 Uhr Lesezeit: 5 Minuten

"Nicht verstecken, sondern offen damit umgehen"

Mit 37 Jahren bekommt Peter Offermann die Diagnose Parkinson. Damit ist er keine Ausnahme. Jeder 10. Parkinson-Betroffene erkrankt bereits vor dem 40. Lebensjahr. Offermann ist inzwischen Vorstandsvorsitzender des Selbsthilfevereins „Jung und Parkinson“. Hier ist seine Geschichte:

data-gallery-buttons="["zoom","fullScreen","download","close"]"
© privat

„Eigentlich war es eher Zufall, dass ich meine Parkinson-Diagnose so früh und vor allen Dingen relativ schnell nach den ersten Symptomen bekommen habe. Bei vielen anderen Betroffenen dauert das Jahre!

Mein Vater hatte Parkinson. Meine Mutter und ich haben ihn zu Hause gepflegt. Damals habe ich neben meinem Beruf als freier Journalist einigen Jugendlichen Nachhilfe gegeben. Dabei haben wir manchmal auch über private Themen gesprochen, also erzählte ich einem Jugendlichen von der Parkinson-Erkrankung meines Vaters. Er kannte das Wort nicht und hatte keinerlei Vorstellung von der Krankheit. Mich hat das zunächst überrascht. Die Krankheit ist doch so weit verbreitet! Mehrere hunderttausend Menschen sind in Deutschland davon betroffen.

Auf der anderen Seite hat mir das Gespräch gezeigt, wie viel Aufklärung darüber noch nötig ist. Und genau dazu wollte ich Journalist beitragen. Ich nahm Kontakt zur Selbsthilfegruppe „Jung und Parkinson“ auf, fotografierte Betroffene und berichtete über die Aktivitäten des Vereins.

Irgendwann bekam ich einen steifen Nacken, wurde innerlich unruhig und hatte massive Schlafstörungen. Die verschriebenen Schmerzmittel und pflanzliche Schlafmittel halfen nicht. Ich war sehr irritiert, denn das waren Symptome, die ich bereits von den Schilderungen der Parkinson-Betroffenen kannte. Also ging ich zur Neurologin meines Vaters. Nach weiteren Arzt- und Krankenbesuchen stand fest: Es ist tatsächlich Parkinson.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich bereits so intensiv mit dem Thema beschäftigt, dass ich die Diagnose eher mit schwarzem Humor aufnahm. Mein Glück im Unglück: Ich hatte schnell eine Diagnose und damit auch eine entsprechende Behandlung und Physiotherapie. Das kann die Krankheit zwar nicht heilen, aber zumindest den Verlauf verlangsamen.

Übrigens: Ich habe oft gehört, dass die Betroffenen wegen ihrer steifen Gelenke und Muskeln erst zum Orthopäden gehen, ein Rezept für Physiotherapie erhalten und die Therapeutinnen und Therapeuten dann den entscheidenden Hinweis geben, dass es sich eher um eine neurologische Erkrankung handeln könnte als um ein orthopädisches Problem.

Und: Mein Vater hatte zwar auch Parkinson, aber mehrere Genanalysen haben gezeigt, dass es sich bei mir trotzdem wohl nicht um eine vererbbare Form handelt. Die Ursachen sind relativ unklar. Ein möglicher Grund könnten Pestizide sein, ich bin schließlich auf dem Land aufgewachsen – mit vielen landwirtschaftlichen Flächen in der Umgebung. In Frankreich ist Parkinson sogar eine anerkannte Berufskrankheit bei Winzern. Ob die Pestizide bei meinem Vater und mir dahinter stecken, ist allerdings eine reine Mutmaßung.

Der Verlauf und die Symptome sind bei jedem anders. Ich zittere zum Beispiel nicht, bei mir versteifen sich vor allem die Gelenke. Deswegen ist das für Außenstehende auch nicht erkennbar. ‚Wie du hast Parkinson?! Du zitterst doch gar nicht!“, höre ich oft, wenn ich davon erzähle. Aber Parkinson kann auch zig andere Folgen haben, etwa eine verminderte Darmtätigkeit, Schlafstörungen, in vorgeschrittenem Stadium auch Inkontinenz oder sogar eine Demenz.

Obwohl ich mich vor der Diagnose bereits für ‚Jung und Parkinson‘ engagiert hatte, veränderte meine eigene Diagnose den Blick auf die Selbsthilfe nochmals. Ich finde sie unglaublich wichtig. Und ich finde es schade, dass sich relativ wenige Erkrankte – egal mit welcher Erkrankung – in der jeweiligen Selbsthilfe engagagieren. Ich glaube, viele haben immer noch ein falsches Bild davon.

Wir sind keine traurige Gruppe voller Selbstmitleid – im Gegenteil. Wir versuchen, die Sache meist mit Humor anzugehen, machen uns gegenseitig Mut und erfahren viel voneinander. Ich habe zum Beispiel erst die Gruppe gelernt, wie wichtig es ist, die Medikamente richtig einzunehmen – also die Abstände zu den Mahlzeiten einzuhalten und auch darauf zu achten, welche Lebensmittel man isst. Wenn man nicht darauf achtet, kann es sein, dass die Medikamente bis zu 80 Prozent weniger wirken. Oft geht es auch um praktische Tipps: Wie beantrage ich Frührente? Welche Übungen bei der Physiotherapie helfen gut?

Ich finde es wichtig, dass in der Öffentlichkeit noch öfter über Parkinson berichtet wird, zumal es so viele Leute betrifft. Dass immer mehr Promis ihre Diagnose öffentlich machen, hilft dabei.  Deswegen kann ich nur an die Betroffenen appellieren: Versteckt euch nicht, geht offen damit um und schaut euch mal bei den Selbsthilfe-Angeboten in eurer Nähe um.“

www.jung-und-parkinson.de