Service Letzte Änderung: 04.07.2022 17:23 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

„Unsere Selbsthilfegruppe ist bunt gemischt.“

(Teil 2/2): Marion Kremerius erhielt bereits 1977 die Diagnose Multiple Sklerose. Seit vielen Jahren setzt sie sich für andere Betroffene und Menschen mit Behinderung ein. Sie erzählt von ihren Erfahrungen:

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© privat
Marion Kremerius (hinten, 1.v.r.) mit anderen Teilnehmenden der Selbsthilfegruppe MS-Treff Erkrath beim Ausflug in den Niederlanden.

Teil 2/2: „Multiple Sklerose heißt zurecht ‚die Krankheit mit den 1000 Gesichtern‘. Sie wirkt sich auf das zentrale Nervensystem aus. Und da nahezu alle Körperfunktionen über Nerven gesteuert werden, kann auch potenziell alles beeinträchtigt sein: Sehen, Sprechen, Fühlen, die Bewegungsfähigkeit, aber auch Organe wie der Darm oder kognitive Fähigkeiten. Manche Betroffene können irgendwann nicht mehr laufen, haben Konzentrationsschwierigkeiten, Sprach- oder Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen. Viele Aktivitäten, die für gesunde Menschen selbstverständlich sind, werden auf einmal enorm anstrengend. Das Problem ist: Man kann nie vorhersehen, wann es einen wie trifft. Manche Betroffene haben eine langsam und kontinuierlich voranschreitende MS, viele erleiden aber Schübe. Dann ist man plötzlich eingeschränkt und es bleibt die Unsicherheit: Entwickeln sich die Symptome wieder zurück? Bleiben sie?

Für Außenstehende ist diese Situation schwer nachzuvollziehen. Nach meinem sehr schweren Schub in den 90er-Jahren und meinem anschließenden Psychologie-Studium war es mir wichtig, mich für andere Betroffene einzusetzen. Seitdem bin ich in zahlreichen Ehrenämtern aktiv. Ich habe eine Selbsthilfegruppe in Erkrath gegründet und später mit meinem Mann auch einen Förderverein, der unter anderem bei Benefiz-Konzerten Geld für die Gruppe sammelt. So können wir Aktivitäten organisieren, die sich viele Betroffene durch ihre meist frühe Berufsunfähigkeit nicht mehr leisten könnten – zum Beispiel Theater- und Zoobesuche oder einen gemeinsamen Kurztrip in die Niederlande. Das ist nicht nur etwas Schönes für die Seele, sondern auch ein Sich üben und Grenzen austesten, um seine Stärken zu erkennen und niemals aufzugeben. Bei der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft habe ich zehn Jahre ehrenamtlich als psychologische Beraterin gearbeitet und zusätzlich eine Ausbildung als Betroffenen-Beraterin absolviert. Außerdem war ich sechs Jahre ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt Erkrath, und habe mich unter anderem für die Selbsthilfe, Inklusion und Barrierefreiheit eingesetzt.

Unsere Selbsthilfegruppe ist bunt gemischt, Männer und Frauen von Ende 20 bis Mitte 70, viele kommen regelmäßig, andere sind nur bei Rede- oder Informationsbedarf dabei. Der Vorteil: Wir sind Experten in eigener Sache und können uns immer gegenseitig Tipps geben oder uns über die neusten Entwicklungen, zum Beispiel in der Forschung, informieren. Außerdem kennt jeder die Herausforderungen des anderen. Man muss sich nicht erklären und darf sich gegebenenfalls auch mal ausheulen. Zudem sind oft Experten verschiedener Fachrichtungen zu Gast.

Ich will anderen vor allem zeigen, was trotz der Erkrankung alles möglich ist. Es ist verständlich, um das zu trauern, was nicht mehr geht, aber auch wichtig, immer zu probieren, was noch alles möglich ist. Und: Manchmal weinen wir, aber wesentlich öfter lachen wir zusammen. Mir ist es wichtig, dass alle das Treffen in positiver Stimmung wieder verlassen.“

Thema des Monats: Multiple Sklerose

Am 22. Juli ist der "Welttag des Gehirns", den die Neurologie-Weltföderation ins Leben gerufen hat. Sie möchte damit auf Erkrankungen aufmerksam machen, die das Gehirn betreffen - unter anderem Multiple Sklerose.
Außerdem ist vor kurzem die erste Patientenleitline zum Thema "Multiple Sklerose" erschienen. Deswegen berichtet die KV Nordrhein im Juli 2022 im Rahmen des "Thema des Monats" über die Erkrankung.
Weitere Informationen für Betroffene und Interessierte unter:

Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (Bundesverband)

Deutsche Multiple Sklerorse Gesellschaft (Landesverband NRW)

Deutsche Hirnstiftung

Neurologie-Weltföderation (auf Englisch)