Service Letzte Änderung: 09.01.2023 14:00 Uhr Lesezeit: 4 Minuten
Was macht eigentlich … eine Verhaltenstherapeutin?
Dorothea Bodmann arbeitet als niedergelassene Psychotherapeutin in Neuss. Sie hat sich auf Verhaltenstherapie spezialisiert. Doch was verbirgt sich dahinter? Die Diplom-Psychologin erzählt, wie Sie mit ihren Patientinnen und Patienten arbeitet und was sie an dem Beruf fasziniert.

„Psychologie hat mich früh interessiert, deswegen musste ich nach dem Abitur nicht darüber nachdenken, was ich studieren möchte. Nach dem Psychologie-Studium folgte die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin. Dabei kann man sich zwischen verschiedenen Fachkunden und Altersgruppen entscheiden, die Analytische Therapie, die Tiefenpsychologisch fundierte Therapie, die Systemische Therapie und die Verhaltenstherapie, für Kinder und Jugendliche oder für Erwachsene.
Die meisten niedergelassenen Psychotherapeutinnen und –therapeuten haben Psychologie studiert, aber einige haben auch einen medizinischen Hintergrund als Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, und einige Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen – und therapeuten haben Pädagogik, Soziale Arbeit oder Sozialpädagogik studiert.
Grundsätzlich sind die Psychotherapieverfahren für ein breites Spektrum psychischer Erkrankungen geeignet. In der Psychotherapeutischen Sprechstunde werden Patientinnen und Patienten individuell beraten, welches Verfahren für sie am geeignetsten ist. Ehrlicherweise entscheidet sich das Verfahren aber auch an der Frage, bei welcher Psychotherapeutin oder welchem Psychotherapeuten man überhaupt einen Therapieplatz bekommt. Die Form der Therapie rückt dabei oft in den Hintergrund – Hauptsache, die angewandten Methoden führen zum Ziel und die therapeutische Beziehung ist tragfähig.
Bei der Verhaltenstherapie geht es weniger darum, zum Beispiel einschneidende Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten. Ich gehe mit meinen Patientinnen und Patienten vor allem auf die Situation in der Gegenwart und der Zukunft ein: Wie geht es mir jetzt? Was kann ich tun, damit es mir in Zukunft besser geht?
Ein Beispiel: Eine Patientin oder ein Patient kommt zu mir und berichtet von bestimmten Symptomen, die in Alltagssituationen immer wieder auftreten – plötzliche Angst, Atemnot, Übelkeit, Herzrasen. Dann stelle ich als erstes eine Diagnose. Handelt es sich um Panikattacken? Oder steckt etwas anderes dahinter? Wenn es sich um Panikattacken handelt, beginnt die entsprechende Therapie. Viele Menschen mit Panikattacken entwickeln Vermeidungsstrategien. Sie gehen zum Beispiel nur noch zu Uhrzeiten einkaufen, zu denen die Geschäfte leerer sind. Für manche Betroffene ist – je nach Schweregrad – kaum noch ein normaler Alltag möglich. Sie engen sich immer mehr ein, verzichten auf immer mehr Aktivitäten aus Angst vor der nächsten Panikattacke.
In der Therapie geht es nicht darum, dass ich für die Patientin oder den Patienten entscheide, was sie machen sollen. Wir entwickeln gemeinsam einen Therapieplan: Ich informiere die Patientinnen und Patienten über die Methoden, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wirksam sein können. Sie entscheiden, welche Strategien sie üben und anwenden möchten, und wir schauen gemeinsam, was hilft. Langfristiges Ziel ist es, dass die Attacken weniger werden und nicht mehr so stark ausfallen. Dafür müssen sich die Betroffenen den Situationen stellen – auch vor Ort. Dabei komme ich selbstverständlich mit. Wir gehen dann gemeinsam in ein volles Geschäft und ich helfe der Patientin oder dem Patienten dabei, die Situation auszuhalten – bis es wieder alleine klappt.
Kürzlich gab es eine Situation, die ich mit einer Patientin noch gar nicht besprochen hatte: Weil ich – wie viele Menschen – diesen Winter meine Praxis weniger heize, hatte ich mir während des Gesprächs mit der Patientin eine Decke um die Beine gewickelt. Später erzählte sie mir, dass sie das im Büro nun auch gemacht hat.
Für viele Menschen wäre so etwas vielleicht selbstverständlich, aber für jemand mit einer Sozialen Phobie oder einer Depression ist das eine Herausforderung. Meine Patientin hatte stets die Hintergedanken: Was denken die anderen über mich? Was ist, wenn mich jemand darauf anspricht oder sich sogar über mich lustig macht, weil ich die Decke nutze? Sie hat bis dahin vermieden, vermeintlich ‚negativ aufzufallen‘. Durch das Modell in der therapeutischen Situation und die bewusste Wahrnehmung des Verhaltens und ihres Denkens, konnte sich die Patientin nun entscheiden, etwas zu tun, was sie sich sonst nie getraut hätte, und eine korrigierende Erfahrung zu machen: niemand hat reagiert. So etwas kann ein kleiner Schritt sein, um zu merken: ‚Manche Gedanken hindern mich daran, etwas zu tun, was mir guttut.‘
Als Verhaltenstherapeutin begleite ich die Menschen gern auf ihrem Weg, ihre psychischen Erkrankungen besser zu bewältigen, aus ihren Depressionen oder Gedankenkarussells auszubrechen. Am Ende einer bis zu 80 Stunden langen Verhaltenstherapie ist immer wieder schön zu hören, wenn sie Schritt für Schritt ihren Alltag verändern, auf sich selbst Acht geben und das Leben wieder besser genießen können.“
Thema des Monats: Gute Vorsätze
In den USA hat sich zum 17. Januar der „Wirf-deine-guten-Vorsätze-über-Bord-Tag“ etabliert. Habe ich mir vielleicht zu viel vorgenommen? Oder keine konkreten Pläne geschmiedet? Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Draum geht's bei uns im Januar 2023.