Service Letzte Änderung: 05.05.2022 09:41 Uhr Lesezeit: 1 Minuten

Was macht eigentlich...ein Neuropsychologe?

Diplom-Psychologe Andreas Tiede ist kassenärztlich zugelassener Neuropsychologe und Verhaltens-, EMDR*- und Hypnosetherapeut. Doch was verbirgt sich hinter dem Fachbegriff "Neuropsychologe"? Andreas Tiede erklärt ihn und erzählt, warum er in seinen Praxen in Duisburg einen Schwerpunkt auf die Neuropsychologie legt:

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© privat
Andreas Tiede

„Die Neurologie ist die Wissenschaft von Erkrankungen des Gehirns und des peripheren Nervensystems – also der Nerven, die von Gehirn und Rückenmark ausgehen. Die Psychologie ist die Lehre vom Verhalten und Erleben des Menschen. Die Neuropsychologie bringt die beiden Fachgebiete zusammen.

Als Neuropsychologe kann ich nach einer Hirnschädigung durch spezifische Test- und Untersuchungsverfahren feststellen, welche Stärken und Schwächen der oder die Betroffene hat. Ursache für Schädigungen im Gehirn kann unter anderem ein Schlaganfall oder ein Schädel-Hirn-Trauma sein, ein Tumor oder eine andere Erkrankung. Die Folgen hängen vor allem von der betroffenen Stelle im Gehirn und dem Ausmaß der Schädigung ab. Manche Patienten leider unter Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten, bei anderen ist das logische Denken eingeschränkt. Sogar die Persönlichkeit kann sich verändern, wenn Emotionen plötzlich anders verarbeitet werden.

Ein Beispiel: Nach einem Schlaganfall im hinteren Teil des Gehirns, des sogenannten Okzipitallappens, tritt bei einem Patienten ein Gesichtsfeldausfall auf. Das heißt, der Patient kann Teile oder sogar die Hälfte seines Sichtfeldes nicht mehr wahrnehmen. Dann übe ich mit ihm, wie er den Ausfall durch bestimmte, schnelle Blickbewegungen kompensieren kann. Außerdem bearbeitet er Aufgaben, die gleichzeitig visuelle und akustische Reize beinhalten, um die geteilten Aufmerksamkeitsleistungen zu verbessern.

Wichtig sind auch Gespräche zur Krankheitsverarbeitung, um einer depressiven Entwicklung entgegenzuwirken und neue Perspektiven und ‚Mut zum Leben‘ zu schaffen. Vor allem in den ersten beiden Jahren nach einer Hirnschädigung können Betroffene bei gezieltem Training sehr gute Fortschritte erzielen, weil die ‚Nachbarn‘ der verlorenen Nervenzellen angeregt werden, sich neu zu vernetzen und so Aufgaben von den abgestorbenen Nervenzellen übernehmen können. Das nennt sich Neuroplastizität. Später lassen sich weiterhin Fortschritte erzielen, allerdings in der Regel nicht mehr so schnell.

Die Arbeit als Neuropsychologe macht mir große Freude, denn ich sehe mich als Begleiter des Patienten. Ich helfe, durch Informationen über die Erkrankung, Stärken und Schwächen, dem Patienten Unsicherheiten zu nehmen, mit ihm Ziele zu definieren und sie zu erreichen – zum Beispiel wieder in eine berufliche Tätigkeit zu finden oder wieder Auto fahren zu können.

Ich hatte einmal eine 32-jährige Lehrerin, die nach einem Schlaganfall in der neuropsychologischen Behandlung sehr motiviert mitgearbeitet hat und es schaffte, wieder in ihrem Beruf zu arbeiten. Ein anderer Patient konnte seine geteilten Aufmerksamkeitsleistungen und seine Reaktionsschnelligkeit so gut verbessern, dass er wieder Auto fahren durfte. Die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen, anderen behandelnden Therapeuten und Ärzten ist sehr wichtig, um ein optimales Behandlungsergebnis zu ermöglichen." 

*EMDR: Eye Movement Desensitization and Reprocessing (dt. Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen). Es handelt sich dabei um eine Methode der Psychotherapie, mit der psychische Traumata beziehungsweise posttraumatische Belastungsstörungen behandelt werden.


Weitere Informationen

Die Qualifikation ‚Neuropsychologe‘ kann erwerben, wer das Psychologiestudium abgeschlossen hat und das Curriculum "Neuropsychologie" bei der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) oder der Vereinigung niedergelassener Neuropsychologen (VNN) erfolgreich abschließt. Für eine Kassenzulassung benötigt man zusätzlich eine Psychotherapieausbildung vor dem Durchlaufen des Curriculums. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für ambulante Neuropsychologie, wenn die Hirnschädigung nicht älter als fünf Jahre ist und der Neuropsychologe kassenärztlich zugelassen ist.

Neuropsychologen finden unter:

Thema des Monats: Schlaganfall

Am 10. Mai ist der bundesweite "Tag gegen den Schlaganfall" der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.

Die KV Nordrhein widmet sich deswegen im Mai 2022 diesem Schwerpunktthema.