Service Letzte Änderung: 31.05.2022 15:19 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Erfahrungsbericht, Teil 2: Vom Herz-Transplantierten zum Selbsthilfe-Gruppenleiter

Norbert Longerich war eigentlich schon ein paar Mal tot. Doch schnelle Reaktionen, die moderne Medizin, ein neues Herz und nicht zuletzt seine eigene Motivation retten ihm sein Leben. Heute engagiert er sich in der Selbsthilfe und begleitet andere Transplantierte auf ihrem Weg.

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© privat
Nach seiner Herz-Transplantation kann Norbert Longerich wieder auf Reisen gehen.

(2/2) „Am 31. Dezember 2015 bekam ich mein neues Herz. Nach meinem schweren Herzinfarkt, den Komplikationen danach und dem Einbau meiner Herz-Pumpe stand ich bereits einige Jahre auf der Warteliste für ein neues Organ. Das bringt allerdings nicht allzu viel. Mit einem normalen Platz auf der Warteliste hat man in Deutschland quasi keine Chance auf ein Spenderorgan.

Erst nach dem Thrombus in der Pumpe, wodurch ich mal wieder in akuter Lebensgefahr schwebte, wurde ich als ‚high urgent‘, also besonders dringlich, eingestuft. Mit dieser Einstufung wartet man in Spanien etwa drei Wochen auf ein neues Organ, in Deutschland sind es etwa sechs Monate. Das liegt daran, dass in Spanien jeder Organspender ist, der nicht ausdrücklich wiederspricht. In Deutschland ist die Zustimmung des Verstorbenen, etwa durch einen entsprechenden Ausweis, oder der Angehörigen erforderlich. Deswegen stehen hierzulande zum Beispiel für ein Herz mehrere Tausend Menschen auf der Warteliste, aber es gibt nur wenige hundert Spender pro Jahr.

Wichtig ist, dass Blutgruppe und Gewicht des Spenders und des Empfängers zusammenpassen. Ein großer, schwerer Mensch mit einer seltenen Blutgruppe hat also wesentlich geringere Chancen auf ein Organ als ein normalgewichtiger Mensch mit einer häufigen Blutgruppe.

Nach der Transplantation gab es wieder Komplikationen, meine Nieren funktionierten kaum noch. Ich entschied mich gemeinsam mit den Fachleuten, die Schmerzmedikamente abzusetzen, um meine Nieren zu entlasten. Die Schmerzen waren dadurch enorm, aber ich wollte nicht dauerhaft die Dialyse oder neue Nieren angewiesen sein. Der Kampf hat sich gelohnt, meine Nieren erholten sich wieder.

Als Feuerwehrmann, Brandschutzingenieur und Manager in einem großen Unternehmen hatte ich einen tollen Beruf und ein wunderbares Team, aber nach der Transplantation stand für mich fest: Jetzt setze ich andere Prioritäten. Ein anderer Transplantierter hatte mir in der schweren Zeit beigestanden und mich stets motiviert. Heute gebe ich meine Erfahrungen an andere Betroffene weiter. Gemeinsam mit meinem Freund Günther Breitenberger leite ich mehrere Selbsthilfegruppen für Herztransplantiere in NRW, organisiere große Arzt-Patienten-Seminare und begleite persönlich Patientinnen und Patienten vor und nach der Transplantation. Es gibt so viel, was man wissen sollte, etwa zu den Medikamenten und deren Nebenwirkungen oder zu Lebensstil und Ernährung mit einem neuen Organ. Manchmal melden sich Ärztinnen oder Ärzte bei mir, dass ich dringend für ein Gespräch mit einer Patientin oder einem Patienten vorbeikommen soll, die zum Beispiel Angst vor dem Leben mit einer Herz-Pumpe haben. In dieser Situation kann ihnen ein Betroffener besser und ehrlicher Mut machen als Fachleute.

Mein Leben war schon mehrfach in höchster Gefahr. Auch jetzt weiß ich nicht, wie es weitergehen wird. In meinem Umfeld habe ich alles erlebt. Manche überleben nur ein, zwei Jahre mit einem transplantierten Organ, anderen geht es nach über dreißig Jahren noch gut damit. Als Transplantierter bin ich – auch unabhängig von Corona – ständig Gefahren ausgesetzt, von Bakterien bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko. Aber: Jetzt, in diesem Moment, lebe ich.

Ich habe ein Herz geschenkt bekommen und sehe als meine Pflicht an, gut darauf aufzupassen – auch aus tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Spender oder der Spenderin und den Hinterbliebenen. Die Zeit mit meiner Familie und Freunden, die Zeit im Ehrenamt und die Zeit in der Natur. Nichts davon ist selbstverständlich. Dank der Transplantation kann ich wieder reisen, Verwandte in Australien besuchen. Diese Eindrücke nehme ich viel intensiver auf als früher. Ich genieße jeden Tag.“

Mehr über die Geschichte von Norbert Logerich erfahren Sie in Teil 1: Vom Marathon-Läufer zum Herz-Transplantierten

Thema des Monats: Organspende

Am 4. Juni ist "Tag der Organspende". Verschiedene Institutionen und Patientenverbände veranstalten den Aktionstag gemeinsam. Die KV Nordrhein widmet sich im Juni 2022 diesem Schwerpunktthema.

Mehr Informationen rund um die Organspende, Ausweise zum Herunterladen, Kriterien zur Entnahme und Vergabe sowie Erfahrungsberichte unter:
 

www.tagderorganspende.de

www.organspende-info.de

www.netzwerk-organspende-nrw.de

www.lebensritter.de