Service Letzte Änderung: 09.09.2022 09:45 Uhr Lesezeit: 3 Minuten
Erfahrungsbericht Brustkrebs: "Das Leben kann trotzdem gut weitergehen."
Gisela Schwesig erhielt mit 46 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Sie arbeitete sich ins Thema ein, suchte Kontakt zu anderen Betroffenen und ist heute die Vorsitzende des NRW-Landesverbands der „Frauenselbsthilfe Krebs“. Hier erzählt sie ihre Geschichte:
„Meine Brustkrebs-Geschichte unterscheidet sich von vielen anderen. Und doch: Nach der Diagnose sitzen wir alle im gleichen Boot – mit unzähligen Fragen, Unsicherheiten und Zukunftssorgen.
Ich wusste, dass ich ein erhöhtes Brustkrebsrisiko habe. Meine Mutter erhielt ihre Diagnose bereits mit 47. Damals war ich Anfang 20 und mit der Situation völlig überfordert, vor allem bei den Besuchen im Krankenhaus. Der Geruch, die Schläuche, das Fachchinesisch des Personals – es war furchtbar, meine geliebte Mutter in dieser Umgebung zu sehen. Aufgrund der Erkrankung unserer Mutter wurden meine Schwester und ich in ein intensiveres Früherkennungsprogramm aufgenommen. Meine Schwester, die selbst als Kinderkrankenschwester arbeitete, nahm zwar alle angebotenen Untersuchungen war, machte sich aber keine großen Sorgen.
Ich war da anders. Regelmäßig tastete ich mich zusätzlich selbst ab, nahm jede keine Veränderung unter die Lupe. Eines Tages entdeckte ich tatsächlich einen kleinen Knubbel an den Lymphknoten. Die Untersuchungen zeigten, dass es sich wahrscheinlich nicht um einen bösartigen Tumor handelte, aber sicher ausschließen konnten es die Ärztinnen und Ärzte auch nicht. Das konnte nur durch eine Gewebeprobe geklärt werden. Ich wollte Sicherheit haben und bestand auf die Operation, trotz meiner tiefen Abneigung gegen Krankenhäuser.
Das Ergebnis: Mir wurden vier Lymphnoten entnommen – und alles war in Ordnung. Ein paar Jahre später tastete ich wieder Veränderungen, dieses Mal auf der anderen Seite. Und nun? Wollte ich wieder als überbesorgt dastehen? Vielleicht sogar als Hypochonder? Dieses Mal ignorierte ich meine Veränderung in der Brust. Bis ich den Anruf meiner jüngeren Schwester erhielt: Bei ihr wurde Brustkrebs festgestellt, mit 44 Jahren. Jetzt konnte ich meinen ertasteten Knoten auch nicht länger ignorieren. Zuerst hieß es wieder, es sei wahrscheinlich nicht bösartig, doch ich bestand wieder auf eine Gewebeentnahme. Das Ergebnis dieses Mal: Ein schnell wachsender G3-Tumor in der Brust, der bereits Mikro- und Makro-Metasthasen in die Lymphknoten gestreut hatte. Die Diagnose bekam ich mit 46 Jahren, drei Wochen nach der Diagnose meiner Schwester.
Wir waren uns einig: Besser wir machen die schlimme Zeit gleichzeitig durch als hintereinander. Wir hatten vorher schon ein enges Verhältnis und sind in dieser Zeit noch enger zusammengewachsen. Mal war sie für mich da, mal ich für sie – je nach dem, wem es gerade besser oder schlechter ging. Manchmal schleppten wir uns – völlig ausgelaugt von den Behandlungen – zusammen durch die Gegend, später machten wir zusammen die Reha. ‚Gut, dass unsere Mutter das nicht mehr erleben muss‘, dachten wir manchmal. Sie hätte es nicht ertragen, uns so krank zu sehen. Sie war inzwischen verstorben, allerdings nicht an Krebs.
Meine Schwester und ich waren in dieser Zeit quasi unsere erste kleine Selbsthilfegruppe. Ich wollte alles ganz genau wissen, arbeitete mich in medizinisches Fachwissen ein, beschäftigte mich mit Therapieformen und suchte das Gespräch mit anderen. Ob bei der Chemo oder im Wartezimmer beim Arzt – überall traf ich interessierte und interessante Betroffene, von denen ich etwas lernen konnte. Schließlich besuchte ich meine erste Selbsthilfegruppe. Auch dort waren tolle, offene, fröhliche Frauen, die für mich vor allem eines ausstrahlten: Hoffnung. Bei vielen lag die Erkrankung bereits 10 oder 20 Jahre zurück und sie wollten den neu Betroffenen zeigen, dass das Leben trotzdem gut weitergehen kann.
Das ist jetzt zwölf Jahre her. Jetzt bin ich eine dieser Frauen, die anderen Mut macht. Seit einigen Jahren engagiere ich mich als Vorsitzende des Landesverbands der ‚Frauenselbsthilfe Krebs‘ für mehr als 30 Selbsthilfegruppen in NRW.
Eine Krebserkrankung ist kein Spaziergang, die Therapien gehen oft über viele Jahre. Aber auch mit oder nach Krebs ist ein lebenswertes Leben möglich. Wir geben uns gegenseitig Tipps, helfen uns bei Schwierigkeiten mit Kostenübernahmen, motivieren uns, sind für einander da – in manchen Fällen auch bis zum Tod. Das gehört dazu. Trotzdem kommen die Lebensfreude und das Lachen nie zu kurz. Ich hatte in den vergangenen Jahren durch die Selbsthilfe unzählige schöne Erlebnisse, von wunderbaren Begegnungen bei Fortbildungen bis hin zur aktiven Teilnahme an den Ruderregatten im Rahmen der der Veranstaltung ‚Düsseldorf am Ruder für Menschen mit Krebs‘. Seit der Pandemie-Zeit haben wir unsere Video-Konferenzen ausgebaut, so dass auch Betroffene, die sich gerade nicht fit fühlen oder in der Reha sind, an Gesprächsgruppen teilnehmen können.
Unser Motto in der Frauenselbsthilfe: Auffangen - Informieren - Begleiten. Das leben wir mutig, bunt und aktiv in unseren deutschlandweiten Gruppen.
Ich kann alle Menschen mit Krebs oder anderen Erkrankungen nur ermutigen, über Selbsthilfe neu nachzudenken und sie ermutigen, es auszuprobieren. Für mich war es die richtige Entscheidung. Ich bin gestärkt aus meiner Diagnose hervorgegangen und die Frauenselbsthilfe hat mir dabei geholfen.“
Thema des Monats: Brustkrebs
In unserem "Thema des Monats" geht es im September 2022 um Brustkrebs. Anlass ist der Aktionstag gegen Brustkrebs am 24. September in Düsseldorf und der Brustkrebsmonat Oktober der Deutschen Krebshilfe.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie hier: