Vorwegzunehmen ist: „Die“ Selbsthilfe gibt es nicht … Sie ist ihrem Wesen nach unterschiedlich. Die folgenden Fragen werden nach den Erfahrungen der KOSA häufig gestellt:
Jede Selbsthilfegruppe (SHG) arbeitet unterschiedlich. Die folgenden Prinzipien gelten dennoch für die allermeisten Gruppen:
das Prinzip der Betroffenheit
das Prinzip der Freiwilligkeit
das Prinzip der Vertraulichkeit
das Prinzip des Austauschs auf Augenhöhe.
In einer Selbsthilfegruppe treffen sich Betroffene oder Angehörige von Betroffenen zum Erfahrungsaustausch und zur gemeinsamen Suche nach möglichen Wegen zur Bewältigung von Krankheiten oder Krisen. Die Beteiligung an einer Selbsthilfegruppe ist eine Gelegenheit, eine Gruppe Gleichbetroffener zu treffen und in der Gemeinschaft neue Kenntnisse zu erlangen und sich zu stärken.
Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ist grundsätzlich kostenlos. In Einzelfällen können Beiträge erhoben werden, z.B. für gemeinsame Aktivitäten.
Selbsthilfe kann nicht verordnet, jedoch empfohlen werden. In Ausnahmefällen gibt es Auflagen, die Personen zur „verordneten“ Selbsthilfe zwingen, z.B. von Anwälten, Bewährungshelfern, Krankenkassen, Richtern. Dies widerspricht jedoch dem Grundsatz der Freiwilligkeit und ist weder für die Person noch die Selbsthilfegruppe zielführend.
Bei psychischen Erkrankungen, Depressionen und Angst, Essstörungen, Suchtproblemen und zahlreichen anderen psychiatrischen Problemen hat sich gezeigt, dass die Beratung und Unterstützung von Menschen mit ähnlichen Problemen und Erfahrungen in Selbsthilfegruppen eine sehr hilfreiche und wichtige Rolle spielen kann. Selbsthilfegruppen können eine emotionale Unterstützung und konkrete Hilfe bei der Bewältigung von Schwierigkeiten bieten und so den Betroffenen helfen, sich ihrer Problematik besser zu stellen. Zudem können sie von den Erfahrungen anderer Betroffener profitieren.
Dennoch ist bei schwerwiegenden Erkrankungen in aller Regel die Behandlung durch einen qualifizierten Arzt / Psychologen erforderlich. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann den Krankheitsverlauf positiv unterstützen, sie ersetzt aber nicht die Behandlung oder Therapie.
Selbsthilfegruppen sind für ihre Arbeit auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Die gesetzlichen Krankenkassen fördern nach §20h SGB V gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen, indem sie z.B. Kosten für Faltblätter, Raummieten, Telefon und Fortbildungen übernehmen. SHG können eine Förderung bei den Krankenkassen beantragen.
Die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Selbsthilfe ist eine wesentliche Grundlage für ihre Akzeptanz. Machen sich Selbsthilfegruppen oder Patientenverbände von der (Pharma-)Industrie oder sonstigen Lobbyvereinigungen aus der Wirtschaft abhängig, schaden sie der Bewegung. Tatsächlich gibt es Versuche von Pharmaherstellern, Selbsthilfeverbände, die z.B. für verbesserte Therapien kämpfen, zu instrumentalisieren oder in ihrem Sinne zu beeinflussen. Andere Beispiele sind Kliniken oder Apotheken, die z.B. über Vergabe von Räumlichkeiten versuchen, inhaltlichen oder organisatorischen Zugriff auf die Gruppe zu bekommen. Um dem Verdacht der Einflussnahme und Interessenkonflikten entgegenzuwirken, ist die finanzielle Transparenz von entscheidender Bedeutung. Verbände, die finanzielle Förderung gem. §20 SGB V erhalten, sind verpflichtet, die Zuwendungen zu veröffentlichen.
Weitere Informationen hierzu findet man auch auf den Seiten der BAG Selbsthilfe e.V. sowie der NAKOS.
Einheitliche Kriterien zur Fortbildung von Selbsthilfegruppen existieren nicht. Sie sind vom Prinzip her niederschwellig und erfordern keine Qualifizierung. Wenn Selbsthilfe-Kontaktstellen die Gründung einer Selbsthilfegruppe unterstützen, bieten sie Gruppenregeln an, die einen vertrauensvollen und partnerschaftlichen Umgang miteinander sichern. Darüber hinaus gibt es in NRW ein breites Angebot an Fortbildungen für Selbsthilfegruppen, z.B. von der Selbsthilfe-Akademie NRW, den Selbsthilfe-Kontaktstellen oder Selbsthilfeverbänden.
Anders als in Therapiegruppen besteht eine Selbsthilfegruppe rein aus Betroffenen und wird nicht von professionellen Fachleuten geleitet. Ihr besonderes Merkmal ist, dass sie keine Leitung haben und selbstorganisiert sind. Jedes Gruppenmitglied trägt die gleiche Verantwortung und die Gruppe definiert ihre Ziele selbst. Für Externe, wie z.B. neue Interessierte oder für Kontaktstellen, werden in der Regel Ansprechpartner genannt.
Die Inhalte der Treffen werden streng vertraulich behandelt und nicht an Außenstehende weitergegeben. Die Pflicht zur Verschwiegenheit gilt in den Gruppen als selbstverständlich.
Es ist ein Vorurteil, dass die Teilnehmenden von SHG höheren Alters sind. Inzwischen gibt es zahlreiche „junge Selbsthilfegruppen“ in Deutschland. Diese werden in ihren Anliegen auch professionell unterstützt (z.B. durch Nakos, Koskon). Einen Eindruck verschaffen die Internetseiten www.schon-mal-an-selbsthilfegruppen-gedacht.de und www.junge-selbsthilfe-blog.de sowie verschiedene Social-Media-Kanäle.
Manche Ärzte befürchten, dass SHG ihre Patienten verunsichern, indem sie z.B. Behandlungsmethoden in Frage stellen, oder dass Patienten zu kritisch werden. Das ist in der Regel jedoch nicht der Fall. Eher kann das Erfahrungswissen von Patienten in SHG die Behandlung entlasten. Denn SHG-Teilnehmende haben meist ein größeres Wissen über ihre Erkrankung. Die Mitarbeit in der Selbsthilfegruppe fördert die Mitverantwortung und Mitarbeit.
Weitere Informationen dazu gibt es bei der NAKOS und in einem Artikel des Ärzteblatts.