Service Letzte Änderung: 11.08.2022 15:07 Uhr

Erfahrungsbericht: „Der Austausch unter Gleichgesinnten hat mir sehr geholfen“

Lisa Salzsieder ist 13 Jahre als ihr Bauch plötzlich verrücktspielt: Bauchschmerzen, Durchfälle, Blut im Stuhl. Sie wird immer schlapper. Die Diagnose: Colitis ulcerosa – eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Heute ist Lisa 35 Jahre alt und engagiert sich für andere Betroffene. Sie erzählt, wie sie ihre Jugend erlebt hat und wie die Erkrankung ihr Leben bis heute prägt.

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© Rabizo Anatolii/AdobeStock

„Ich wusste nicht, was mit mir los war. Bauchschmerzen, Durchfall, irgendwann entdeckte ich Blut im Stuhl. Das hat mich geschockt. Fast noch schlimmer war die Erschöpfung: Ich war ständig müde, selbst alltägliche Aktivitäten waren plötzlich furchtbar anstrengend. Zuerst vermuteten die Ärztinnen und Ärzte einen Eisenmangel, aber es war schnell klar, dass noch mehr dahinterstecken musste. Eine Gastroentereologin, also eine Spezialistin für den Magen-Darm-Trakt, stellte nach einer Darmspiegelung die Diagnose: Colitis ulcerosa – eine chronisch entzündliche Darmerkrankung.

Rückblickend weiß ich, dass die Diagnose damals bei mir sehr schnell ging. Andere Betroffene bekamen damals erst nach Jahren die richtige Diagnose, selbst heute gibt es noch eine gewisse Dunkelziffer.

Zunächst wurde ich mit Cortison behandelt, was aber nicht half. Also musste ich ins Krankenhaus. Die Zeit ist mir bis heute in sehr schlechter Erinnerung. Auf den Kinderstationen gab es damals noch keine Spezialisten für die Erkrankung, also kam ich mit 13 auf eine normale Erwachsenen-Station. Das Personal war den Umgang mit Kindern und Jugendlichen nicht gewohnt, die Abläufe waren auf Erwachsene ausgerichtet und ich war mit der Situation vollkommen überfordert.

Die Bedeutung des Wortes ‚chronisch‘ kannte man zwar, aber was das für mich selbst bedeuten würde, war mir nicht klar. Ja, die Erkrankung bleibt irgendwie da, aber was heißt das schon? Ich war ein fittes, junges Mädchen. Ich habe Fußball im Verein gespielt, war ständig auf Achse. Daran sollte so eine blöde Krankheit doch nichts ändern.

Tat sie aber. An Fußball war bald nicht mehr zu denken. Ich war zu platt. Die vier Etagen ohne Aufzug in unsere Wohnung wurden zum Bergsteigen. Einkäufe hochtragen? Ging nicht. Statt zum Training ging es einmal pro Woche für zwei Stunden zur Eiseninfusion. Anders ließ sich mein Eisenmangel nicht mehr ausgleichen. Dazu kamen zahlreiche Arztbesuche und viel, viel Schlaf. Bei Treffen und Veranstaltungen war ich immer in Hab-Acht-Stellung: Wo ist die nächste Toilette? Schaffe ich das im Notfall noch rechtzeitig?

Eine zusätzliche Herausforderung: Man sieht mir die Erkrankung nicht an. Deswegen können Außenstehende meine Einschränkungen oft nicht nachvollziehen. Immer wieder musste ich Leuten erklären, warum ich Dinge nicht schaffe oder nicht mitmachen kann. Darunter leiden auch die Freundschaften.

Psychisch geholfen haben mir vor allem die Treffen der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung, kurz DCCV. Ein Wochenende unter Gleichaltrigen, die alle die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich – das war toll! Der Austausch untereinander hat mir sehr geholfen. Es gab Seminare und Vorträge zu Fachthemen, aber auch ein breites Freizeitangebot. Das erste Mal musste ich niemandem etwas zu meiner Erkrankung erklären.

Meine Erkrankung hat sich leider in meinen 20er Jahren schubweise verschlechtert. Inzwischen bin ich mehrfach operiert und habe einen künstlichen Darmausgang, der mir allerdings auch einige Freiheiten zurückgegeben hat. Die mangelnde Energie begleitet mich bis heute. Mein Pädagogik-Studium habe ich zwar abgeschlossen, bin aber leider arbeitsunfähig.

Allerdings setze ich mich seit Jahren ehrenamtlich für andere Betroffene ein. Als Landesbeauftragte der DCCV für NRW biete ich telefonische Beratungen an, organisiere Info-Veranstaltungen und plane Arzt-Patienten-Veranstaltungen in Kooperation mit Kliniken und Schwerpunktpraxen. So kann ich mir meine Zeit meiner Energie entsprechend einteilen und einen sinnvollen Beitrag leisten. Das Pädagogik-Studium ist dafür eine wunderbare Grundlage.

Ich will anderen Betroffenen Mut machen. Das Leben geht weiter – mit allen Einschränkungen, die die Krankheit mit sich bringen mag. Die Hoffnung, dass ich arbeitsfähig werde, gebe ich nicht auf. Da der betroffene Dickdarm entfernt wurde, ist der Entzündungsherd weg. Noch habe ich allerdings einige andere Begleiterscheinungen beziehungsweise Spätfolgen. Das kann sich wieder bessern. Außerdem gibt es in der Medizin so viele neue Erkenntnisse, dass die Behandlungen in ein paar Jahren vielleicht noch viel erfolgsversprechender werden. Ich setze darauf.“

Thema des Monats: Erkrankungen bei Jugendlichen

Am 12. August 2022 ist der internationale Tag der Jugend. Die Vereinten Nationen riefen diesen Tag ins Leben, um die Bedeutung der Lebensphase hervorzuheben und die politischen sowie gesellschaftlichen Belange von Jugendlichen in den Fokus zu rücken. Anlässlich des Aktionstages geht es bei uns dieses Mal um Erkrankungen, die Jugendliche häufig betreffen.

Die beiden häufigsten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa manifestieren sich oft bereits im Jugendalter. Da sie derzeit nicht heilbar sind, begleiten sie Betroffene ein Leben lang. Entgegen der allgemeinen Annahme handelt es sich nicht um Autoimmunerkrankungen, sondern ein wichtiger Faktor ist die Darmbarriere-Störungen, sodass das Immunsystem auf eigentlich harmlose Mikroorganismen im Darm reagiert. Teil dieser Abwehrreaktion ist die Entzündung.

Colitis ulcerosa: Die Entzündung kann bei der Colitis ulcerosa den Mastdarm sowie den ganzen Dickdarm betreffen. Männer und Frauen erkranken etwa gleich oft - häufig als Jugendliche oder junge Erwachsene. Typische Beschwerden bei der Colitis sind vor allem häufige, blutigschleimige Durchfälle, nicht selten Bauchschmerzen im linken Unterbauch, ständiger Stuhldrang, Fieber, allgemeine körperliche Schwäche. Die Krankheit verläuft oft in Schüben, denen symptomfreie Phasen (Remission) folgen. Die Stärke der Krankheitsaktivität ist bei den Betroffenen teilweise sehr unterschiedlich.

Morbus Crohn: Die geschwürige Entzündung kann im Unterschied zur Colitis den gesamten Verdauungstrakt – von der Mundhöhle bis zum After – betreffen. Typische Beschwerden und Symptome sind vor allem Durchfälle, Bauchschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust und Stenosen (Darmverengungen) und Fisteln (entzündliche Bildungen von nicht natürlichen Gängen zwischen Hohlräumen im Körper oder zwischen Hohlraum und Haut), zumeist im Bereich des Afters. Auch diese Erkrankung verläuft oft in Schüben, denen symptomfreie Phasen (Remission) folgen, und auch die Stärke der Krankheitsaktivität kann bei den Betroffenen sehr unterschiedlich sein.

Weitere Informationen für Betroffene und Angehörige: