Service Letzte Änderung: 29.08.2023 09:58 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Erfahrungsbericht: „Ein Tag mit nur ein bisschen Kopfschmerzen, ist bei mir ein guter Tag.“

Teil 1/2: Nadine aus Troisdorf bekommt seit ihrer Jugend Migräne-Attacken. In den vergangenen Jahren verschlimmerte sich die Erkrankung. Sie erzählt, wie sich die Kopfschmerzen auf ihren Alltag auswirken, wie sie damit umgeht und was ihr Mut macht.

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© privat
Nadine nutzt täglich ihre Kopfschmerz-App. Damit behält sie unter anderem ihre Schmerzmittel-Einnahme im Blick.

„Ein Leben ohne Kopfschmerzen? Das ist lange her. Die ersten Migräne-Attacken kamen mit der Pubertät, mit 19 war ich das erste Mal im CT. Bei einigen Betroffenen verbessert sich die Situation im Erwachsenenalter, das war bei mir leider nicht der Fall. Nach der Geburt meiner Kinder wurde es von Jahr zu Jahr schlimmer, seit drei, vier Jahren sind Tage ohne Kopfschmerzen eher eine Ausnahme. Die Neigung zu Migräne ist vererbbar, denn auch meine Tochter ist schwer betroffen. Mein Sohn hat dagegen keine Migräne.

Als Jugendliche habe ich nicht geahnt, dass die Migräne sich später einmal so sehr auf meinen Alltag auswirken wird. Inzwischen habe ich einen Grad von 50 Prozent Schwerbehinderung deswegen. Ich will auch davon erzählen, um Verständnis zu wecken. Migräne ist keine sichtbare Behinderung. Wer nicht davon betroffen ist, kann sich die Auswirkungen kaum vorstellen. Viele denken, man solle sich nicht so anstellen – oder sprechen es sogar aus. Ein bisschen Kopfschmerzen hat ja schließlich jeder mal.

Ein Tag mit ein „bisschen“ Spannungskopfschmerzen, ist bei mir allerdings ein guter Tag. An schlechten Tagen geht nichts mehr, mein Kopf explodiert und ich kann eigentlich nur noch mit einem Kühlpack auf dem Kopf im dunklen Raum liegen. Sich um den Haushalt kümmern oder gar Verabredungen einhalten ist dann undenkbar. Lebensmittel bestelle ich mir schon lange, weil mich Supermärkte mit der Mischung aus grellem Licht, Musik, bunten Verpackungen, Gerüchen und dem Piepen der Kassen inzwischen überfordern.

Wenn es gut läuft, habe ich zehn richtig schlechte Tage im Monat, manchmal mehr als zwanzig. Schmerzmittel soll man höchstens an zehn Tagen im Monat nehmen, damit keine Suchtgefahr entsteht oder ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz, kurz MÜK. Die restlichen Tage muss ich also zur Not ohne Schmerzmittel überstehen.

Selbstverständlich ärgert mich das selbst, schließlich bin ich eigentlich ein unternehmungslustiger Mensch. Ich will was erleben! Das tue ich auch, wann immer es geht. Allerdings muss ich ständig abwägen, wie viel Ruhe ich brauche und wie viel ich am Leben teilnehmen kann. Ich muss damit rechnen, dass mich ein schöner, erlebnisreicher, aber anstrengender Tag danach wieder für zwei, drei Tage umwirft. Ich weiß nicht, wie viele Verabredungen mit Familie und Freunden ich in den vergangenen Jahren absagen musste – leider zu viele. Außerdem muss ich vorsichtig sein, mir für das Wochenende überhaupt etwas vorzunehmen, wenn ich Montag wieder arbeiten muss.

Was die Arbeit betrifft, habe ich bei allen Schwierigkeit noch Glück: Ich arbeite in einem kleinen Betrieb und kann meine Arbeitszeiten auch mal etwas verschieben. Wenn es mir gut geht oder ich nur moderate Kopfschmerzen habe, schaffe ich auch viel, wenn es mir nicht gut geht, muss ich leider fehlen. Das passiert in den vergangenen Jahren leider immer öfter. Die Mitarbeitenden haben Verständnis und passen sich soweit es geht meinen Bedürfnissen an. Ich habe sie zum Beispiel gebeten, bei der Arbeit kein Parfüm zu tragen, weil mir der Duft direkt in den Kopf steigt. Ich bin sehr dankbar, dass sie darauf Rücksicht nehmen.

Überhaupt bin ich dankbar für viele Dinge! So schwierig die Situation manchmal ist, so habe ich doch gelernt, die positiven Aspekte wertzuschätzen…“

In Teil 2 erzählt Nadine von ihrer medizinischen Behandlung und ihrer Hoffnung für die Zukunft.