Service Letzte Änderung: 05.05.2022 09:52 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Hilfe in schwierigen Zeiten

Melanie Drobnitza ist ehrenamtliche Schlaganfall-Helferin in Wermelskirchen. Sie begleitet Romy Lambeck nach ihrer schweren Erkrankung.

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© Schlaganfall-Hilfe
Schlaganfall-Betroffene Romy Lambeck mit Helferin Melanie Drobnitza

Die Lage war schwierig: Romy war nach einem Schlaganfall in der Reha, fühlte sich aber dort nicht wohl und wollte unbedingt nach Hause. Doch sie war auf den Rollstuhl angewiesen, ihre Wohnung aber nicht barrierefrei. Durch den Schlaganfall war sie von einer Sekunde auf die andere zum Pflegefall geworden – wie sollte es nun weitergehen?

Romys erwachsener Sohn Kevin wandte sich an Brigitte Hallenberg, Gründerin des Partnerbüros der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in Wermelskirchen. Hallenberg setzte alle Hebel in Bewegung, half bei der Suche einer neuen Wohnung und der Organisation des Umzugs, füllte Anträge aus und stand Mutter und Sohn zur Seite. „Es war schnell klar: Romy braucht jenseits der Pflege noch mehr Hilfe. Jemanden, der oder die sich Zeit für sie nimmt und Kevin für ein paar Stunden entlastet“, sagt Hallenberg. Ihr kam Melanie in den Sinn, die kurz zuvor beim Partnerbüro eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Schlaganfall-Helferin absolviert hatte.

„Zuerst lernte ich Kevin kennen. Wir hatten direkt einen Draht zueinander, deswegen konnte ich mir vorstellen, seine Mutter zu begleiten“, erinnert sich Melanie. „Er erzählte mir vom schlechten gesundheitlichen Zustand seiner Mutter. Doch ich bin ehrlich: Beim ersten Treffen habe ich mich trotzdem erschrocken.“ Romy stand zu der Zeit noch stark unter Medikamenteneinfluss, wirkte weggetreten, reagierte kaum auf den Besuch. Melanie war sich nicht sicher, ob Romy sie wahrnahm oder verstand, warum sie kam. „Kevin und Brigitte hatten mir von der quirligen, aktiven Frau erzählt, die sie vor dem Schlaganfall war. Bei diesem ersten Treffen war davon nichts zu spüren. Würde ich eine gute Begleitung sein? Würde ich selbst das psychisch schaffen? Ich war mir nicht sicher, aber ich wollte es versuchen.“

Die anfänglichen Bedenken haben sich schnell gelegt. Romy ging es gesundheitlich nach und nach besser. Die beiden entdeckten viele Gemeinsamkeiten, vor allem ihren Sinn für Humor und für Mode. Heute sind sie ein eingespieltes Team.

Brigitte Hallenberg vom Schlaganfall-Büro mit Romy Lambeck und Helferin Melanie Drobnitza
© Schlaganfall-Hilfe
Brigitte Hallenberg vom Schlaganfall-Büro mit Romy Lambeck und der ehrenamtlichen Schlaganfall-Helferin Melanie Drobnitza

Enge Begleitung durch das Partnerbüro

Kurz nach dem Kennenlernen war Melanie drei bis vier Mal pro Woche bei Romy. Sie begleitete sie bei medizinischen Terminen und zur Hilfsmittel-Auswahl ins Sanitätshaus – ein Engagement, das weit über die üblichen Einsätze von Schlaganfall-Helfern hinausgeht. Neben der organisatorischen Hilfe ist für Romy vor allem emotionale Unterstützung wichtig: „Ich habe mich immer gern schick gemacht, hatte zu jedem Outfit passende Schuhe. Die meisten davon werde ich nie wieder tragen können. Als ich meine ersten orthopädischen Schuhe bekam – zwei hässliche, schwarze Klötze – bin ich in Tränen ausgebrochen. Für mich war das einer von vielen Abschieden von meinem alten Leben“, sagt Romy.

Melanie stand ihr bei und sortierte mit Romy Schuhe aus, darunter zahlreiche High-Heels – aus einem anderen Leben. Ein emotionaler Moment für beide von ihnen. „Selbstverständlich hätte mein Sohn mir auch dabei geholfen. Wie schwer das fällt, kann aber wahrscheinlich nur eine Frau nachvollziehen, die sich ebenso für Mode interessiert wie ich. Deswegen war ich unheimlich froh, Melanie in dieser Situation an meiner Seite zu haben“, erklärt Romy. Selbstverständlich, dass Melanie auch dabei war, als Romy sich endlich bei einem orthopädischen Schuhmacher in der Region neue, schickere Schuhe aussuchen konnte.

Inzwischen treffen sich die beiden regelmäßig zu „Mädelsabenden“. Sie kochen, quatschen und hin und wieder lackiert Melanie Romy die Fingernägel. Sie gucken Fußball oder gehen zusammen in ihr italienisches Lieblingsrestaurant. Und sogar gemeinsame Ausflüge sind möglich: Die Schlaganfall-Hilfe Wermelskirchen hat mithilfe zahlreicher Spenden einen rollstuhlgerechten Transporter angeschafft, den sich auch die Schlaganfall-Helferinnen und -helfer für Fahrten mit den Betroffenen ausleihen dürfen. Dank des Fahrzeugs kann Romy auch an den Treffen der Selbsthilfegruppe in Wermelskirchen teilnehmen.

Für ihren erwachsenen Sohn Kevin war die Begleitung durch das Partnerbüro Gold wert: „Der Schlaganfall hat von einer Minute auf die andere alles verändert. Ohne Hilfe wären wir wahrscheinlich überfordert gewesen und meine Mutter jetzt im Pflegeheim. Durch die neue Wohnung und die Unterstützung einer Schlaganfall-Helferin kann sie trotz aller Einschränkungen noch so selbstbestimmt wie möglich leben.“

Romy hat wieder neuen Lebensmut gefasst – trotz schlechter Phasen. „Ich bin aus dem Loch raus, aber die Füße stecken noch drin“, beschreibt sie ihre Situation. Sie sei nicht mehr so traurig wie unmittelbar nach dem Schlaganfall und habe keine Albträume mehr.

Der Sinn für Humor verbindet die beiden Frauen, sie lachen viel miteinander – etwa über Melanies gescheiterten Versuch, Romys lange Haare zu tönen. „Die Chemie muss stimmen. So macht das Ehrenamt viel Freude“, sagt Melanie.

Das Projekt "Schlaganfall-Helfer"

Seit mehreren Jahren bildet die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in Kooperation mit lokalen Institutionen ehrenamtliche Schlaganfall-Helferinnen und -helfer aus. In Wochenend- oder Abendkursen erhalten die Ehrenamtlichen Informationen rund um den Schlaganfall und dessen Folgen für die Betroffenen. Der Kurs kann bei Bedarf auch online absolviert werden.
Die Schlaganfall-Helferinnen und -Helfer begleiten und unterstützen die Betroffenen im Alltag. Bei welchen Tätigkeiten die Betroffene Hilfe benötigen, wird individuell besprochen. Die Helfer unterstützen zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen, begleiten zu Arztterminen, gehen mit den Betroffenen spazieren, kochen mit ihnen gemeinsam oder spielen Gesellschaftsspiele.

Im Gebiet Nordrhein gibt es derzeit Schlaganfall-Helferinnen- und -Helfer in folgenden Städten und Regionen:

Essen: Landesverband der Apasiker NRW

Moers: Schlaganfall-Büro Moers

Wermelskirchen: Schlaganfall-Büro Bergisches Land

Wiehl: Offene Arbeit für Senioren

Ausbildung in Planung:
Düsseldorf: Düsseldorfer Initiative Schlaganfall

Weitere Standorte kommen nach und nach hinzu. Weitere Infos für interessierte Ehrenamtliche, Betroffene sowie mögliche Kooperationspartner unter:
Schlaganfall-Helfer

 

Thema des Monats: Schlaganfall

Am 10. Mai ist der "Tag gegen den Schlaganfall" der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.

Die KV Nordrhein widmet sich deswegen im Mai 2022 diesem Schwerpunktthema.