Letzte Änderung: 09.11.2022 10:40 Uhr Lesezeit: 3 Minuten

Interview: „Frühzeitiges Handeln ist bei einer Fettleber wichtig.“

Dr. Patricia Shadiakhy ist Beratende Ärztin bei der KV Nordrhein und hat eine Zusatzqualifikation als Ernährungsmedizinerin (BFD e.V.) Im Interview erklärt sie, warum eine ausgewogene Ernährung für die Leber so wichtig ist.

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© privat

Frau Dr. Shadiakhy, um eine kranke Leber müssen sich doch nur Menschen Sorgen machen, die viel Alkohol trinken, oder?

Shadiakhy: Diese Auffassung ist immer noch weit verbreitet – leider! Menschen, die keinen oder wenig Alkohol konsumieren, machen sich oft keine Gedanken um die Gesundheit ihrer Leber. Dabei wäre das dringend nötig: Statistiken zeigen, dass etwa 20 bis 40 Prozent aller Erwachsenen in Westeuropa eine Fettleber haben - und bei den allerwenigsten Betroffenen liegt das ausschließlich an einem übermäßigen Alkoholkonsum.

Sondern an was?

Shadiakhy: Unser Lebensstil spielt eine große Rolle, neben zunehmendem Bewegungsmangel ist dies vor allem die Ernährung. Wer sich einseitig ernährt mit viel Zucker, Weißmehl und vor allem bestimmte Fetten isst, hat ein hohes Risiko für eine nicht-alkoholbedingte Fettleber. Das sieht man den Menschen übrigens nicht zwangsläufig an. Viele stark übergewichtige Menschen entwickeln eine Fettleber, aber auch Normalgewichtige können betroffenen sein. Nicht unerwähnt bleiben müssen auch Erkrankungen wie etwa Diabetes mellitus Typ II, die das Risiko erhöhen und leider, dass die Diagnose auch immer häufiger bei Kindern gestellt wird.

Auf welche Symptome muss ich achten?

Shadiakhy: Das ist das Problem: Die Fettleber verursacht über einen sehr langen Zeitraum keine Symptome. Symptome spüren die meisten Patientinnen und Patienten erst, wenn die Erkrankung schon fortgeschritten ist. Dann kann zum Beispiel ein Druckgefühl im rechten Oberbauch auftreten, Appetitverlust, Bähungen, Übelkeit oder eine allgemeine Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Diese Symptome sind natürlich unspezifisch und können auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten.

Und wie kann die Diagnose frühzeitig gestellt werden – vor den ersten Symptomen?

Shadiakhy: Tatsächlich erfolgt die Diagnose oft zufällig, während einer körperlichen Untersuchung im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung, oder weil aus anderen Gründen Blutproben entnommen werden, die beispielsweise hohe Leberwerte aufzeigen. Mein Rat: Gehen Sie regelmäßig zur 35+-Untersuchung. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für diese allgemeine Vorsorgeuntersuchung ab 35 Jahren alle drei Jahre. Dabei werden, neben dem ärztlichen Gespräch, unter anderem bestimmte Blutwerte untersucht, die auf Diabetes, Mangelerscheinungen oder eine erkrankte Leber hinweise können. Bei einem Verdacht werden weitere Untersuchungen vorgenommen, zum Beispiel ein Ultraschall.

Die Diagnose Fettleber steht fest. Was nun? Ein Leben lang Medikamente nehmen?

Shadiakhy: Eine medikamentöse Behandlung gibt es für die Fettleber noch nicht. Wird eine Fettleber diagnostiziert, ist das Stadium der Erkrankung entscheidend. Im ersten Stadium handelt es sich um eine reine Fettleber, die noch keine Entzündungen verursacht. Dann kann man selbst noch viel dagegen tun! Die Ernährung umstellen, viel bewegen, Gewicht reduzieren, den Alkoholkonsum einschränken und so weiter. Im zweiten Stadium hat sich die Fettleber bereits entzündet. Im dritten ist es eine Leberzirrhose, bei der die statistische Prognose leider ungünstig ist. Das gleiche gilt für Leberkrebs. Deswegen ist es so wichtig, frühzeitig zu handeln.

Was sind Ihre drei wichtigsten Ernährungstipps bei einer Fettleber?

Shadiakhy: Dürfen es auch vier Tipps sein?  Im Prinzip gelten für Patientinnen und Patienten die gleichen Tipps wie für alle anderen auch:

1. Essen Sie viel Gemüse und Hülsenfrüchte, etwas zuckerarmes Obst, gesunde Öle wie Lein-, Oliven- oder Walnussöl, Nüsse und Samen, Getreideprodukte möglichst in Vollkornvarianten, ab und zu Fisch. besonders geeignet sind unter anderem Hering, Lachs oder Makrele, gegebenenfalls ein wenig mageres Fleisch,  in Maßen Milchprodukte und Eier.

2. Meiden Sie möglichst stark verarbeitete Lebensmittel mit viel Zucker und schlechten Fetten. Bei Fertigprodukten kann eine lange Zutatenlisten als Warnzeichen dienen.  Es lohnt sich zum Beispiel zu prüfen, wieviel Zucker, oder ob gehärtete Fette enthalten sind. Frische Produkte können wir beeinflussen, sie haben keine Zutatenliste.

3. Trinken Sie genug. Wasser oder ungesüßter Tee ist optimal, eine Saftschorle oder schwarzer Kaffee hin und wieder ist auch völlig in Ordnung.

4. Machen Sie längere Esspausen zwischen den Malzeiten. Wer ständig snackt, gönnt auch der Leber keine Ruhepausen.

Wichtig finde ich: Haben Sie Spaß am Essen, probieren Sie neue Nahrungsmittel und Rezepte aus und genießen Sie die Malzeiten. Eine professionelle Begleitung durch Ernährungsmediziner oder –berater wäre optimal.

Vielen Dank für das Gespräch.

Thema des Monats: Lebererkrankungen

Am 20. November 2022 ist der „Deutsche Lebertag“. Deswegen steht in diesem Monat die Leber im Fokus.

Weitere Informationen unter:

www.lebertag.org

www.deutsche-leberstiftung.de

www.gastro-liga.de

www.leberhilfe.org

Die Leber befindet sich im rechten Oberbauch und gehört zu den größten Organen des Körpers. Die Leber hat viele wichtige Aufgaben. Zum einen baut sie Fremdstoffe ab, zum Beispiel Alkohol, Medikamente oder Gifte. Zum anderen reguliert sie den Fett- und Zuckerstoffwechsel und lagert Nährstoffe wie Vitamine ein. Außerdem bildet sie wichtige Eiweiße, die der Körper unter anderem zur Blutgerinnung benötigt, damit zum Beispiel Verletzungen gut abheilen. Der von der Leber hergestellte Gallensaft gelangt in den Darm und hilft bei der Verdauung von Fetten. Dies sind nur einige der wichtigen Funktionen der Leber. Sind sie gestört, kann dies Auswirkungen auf den gesamten Körper haben. Insgesamt sind fast 100 verschiedene Lebererkrankungen bekannt.