Service Letzte Änderung: 13.10.2022 09:19 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

Interview: „Jetzt schon an die Zukunft denken“

Bernd Bankamp ist niedergelassener Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Krefeld und unter anderem Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärztinnen und -ärzte in Nordrhein. Er macht immer wieder auf die Möglichkeit der HPV-Impfung aufmerksam – vor allem die Mütter.

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© KV Nordrhein
Bernd Bankamp, Facharzt für Frauenheilkunde in Krefeld

Die HPV-Impfung ist für Kinder ab neun Jahren zugelassen. In dem Alter gehen Mädchen noch nicht zum Frauenarzt. Wie sind Sie bei der Impfung involviert?

Bankamp: Das stimmt, für einen regulären Frauenarzttermin sind die Mädchen noch zu jung. Aber ich impfe sie trotzdem gern. Das läuft in der Regel über die Mütter. Ich weiß, wie alt die Kinder meiner Patientinnen sind. Wenn die Kinder zehn oder elf Jahre alt sind, spreche ich die Mütter bei ihren eigenen Untersuchungen an und mache sie auf die Möglichkeit der HPV-Impfung für ihre Kinder aufmerksam. Die ist übrigens nicht nur für Mädchen, sondern auch für Jungen. Auch die dürfen natürlich zu mir kommen.

Die HPV-Impfung ist überwiegend zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs bekannt. Warum sollten Jungen auch geimpft werden?

Bankamp: Inzwischen sind zwei gute Gründe für die Impfung von Jungen bekannt. Erstens: Sie sind Überträger. Wenn Männer geschützt sind, schützen sie auch ihre Sexualpartnerinnen. Das ist vor allem eine Frage der Solidarität. Zweitens: Auch Männer können an den Viren erkranken. Das geht bis hin zu Krebs im Mund-Rachenraum oder am Penis. Die Fallzahlen sind zwar geringer als bei den Frauen, aber es gibt die Fälle durchaus. Wenn man das Risiko zumindest für bestimmte Krebsarten minimieren kann, sollte man die Chance nutzen.

Die Impfung schützt vor einigen Formen der Humanen Papillomviren, die bei Intimkontakten übertragen werden können. In dem Alter spielt das doch eigentlich noch keine Rolle…

Bankamp: Die Impfung sollte optimaler Weise vor den ersten Intimkontakten erfolgen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten bis zum 17. Lebensjahr, einige auch bis zum 26. Aber dann hatten viele bereits die ersten sexuellen Kontakte. Damit meine ich nicht nur Geschlechtsverkehr, sondern zum Beispiel auch intensives Petting. Außerdem benötigen jüngere Kinder nur zwei Impfdosen, weil ihr Immunsystem noch besser darauf reagiert, später sind es dann drei.

Die meisten Infektionen mit dem HPV bemerken die Betroffenen nicht oder sie haben nur harmlose Symptome. Was bringt dann eine Impfung?

Bankamp: Das stimmt, es gibt keine akuten Symptome wie zum Beispiel bei einem grippalen Infekt. Aber die Viren können im Verborgenen arbeiten und großen Schaden anrichten. Sie haben das Potential, die Zellstruktur über Jahre hinweg zu verändern – und viele Jahre später kann es dann ‚plötzlich‘ eine Krebsdiagnose geben. Ich bitte die Mütter also, jetzt schon an die Zukunft ihrer Kinder zu denken. Die Kinder oder Jugendlichen selbst können den Nutzen der Impfung meist noch gar nicht erfassen.

In dem Alter gehen die Kinder noch zu Kinderärztinnen- oder -ärzten. Sind diese dann nicht auch für die HPV-Impfung zuständig?

Bankamp: Ja, die Kolleginnen und Kollegen in den Kinderarztpraxen machen das selbstverständlich auch. Zu mir kommen – wie gesagt – überwiegend die Kinder meiner eigenen Patientinnen zur HPV-Impfung. Ich finde das vor allem für die Mädchen eine gute Gelegenheit, schon mal in die Praxis zu kommen und das Umfeld kennenzulernen. So kommen sie erstmals in eine Frauenarztpraxis, ohne dass dies gleich mit einer relativ intimen Untersuchung durch eine fremde Person verbunden wird. Das kann helfen, die Hemmungen vor dem ersten ‚richtigen‘ Frauenarztbesuch etwas zu verlieren.

Schützt die Impfung denn zu 100 Prozent vor den Krebsarten, etwa Gebärmutterhalskrebs?

Bankamp: Die Impfung bietet einen sehr hohen Schutz. Das haben nicht nur die Studien vor der Zulassung in den 2000er Jahren gezeigt, sondern auch die laufenden Langzeitstudien. Eine Garantie kann es aber leider nicht geben. Die Frauen sollten sich trotz Impfung regelmäßig untersuchen lassen – zumal auch nicht jeder Gebärmutterhalskrebs durch HPV verursacht wird und die gynäkologische Vorsorge keinesfalls gedanklich auf den Abstrich vom Muttermund reduziert werden darf, sie ist deutlich umfassender.

Vielen Dank für das Gespräch.