Service Letzte Änderung: 11.08.2022 17:04 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Spielen, Videos gucken, chatten: Wie lang ist zu lang an PC und Co?

Der Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen steigt – vor allem in Pandemiezeiten. Doch was ist normal? Wann beginnt die Sucht? Und was passiert, wenn ein junger Mensch mediensüchtig ist? Die Drogenhilfe Köln bietet spezielle Projekte zum Thema Mediensucht, berät Eltern und hilft Betroffen.

data-gallery-buttons="["zoom","fullScreen","download","close"]"
© privat
Medienpädagoge Andreas Pauly von der Drogenhilfe Köln

Jugendliche verbringen viel Zeit vor dem PC, am Smartphone oder Tablet. Medienkonsum ist längst ein Teil ihres Alltags. Spiele, Serien, Instagram-Stars oder die neuesten Nachrichten in der Chat-Gruppe fesseln die Nutzer an die Geräte. Doch nicht nur das: Während der Corona-Lockdowns fand sogar der Unterricht virtuell statt, ebenso wie der Kontakt zum Freundeskreis. „Wir hatten in dieser Zeit besonders viele Fragen von besorgten Eltern“, erzählt Andreas Pauly. Er ist Medienpädagoge und arbeitet als Fachreferent für Suchtprävention bei der Drogenhilfe Köln. Pauly ist auf Mediensucht spezialisiert. „Viele Eltern hatten ähnliche Anliegen: Ist das normal, dass mein Kind so viel Zeit am PC verbringt? Oder: Ich kann gar nicht kontrollieren, ob meine Tochter wirklich für die Schule arbeitet oder spielt. Oder: Jetzt bin ich selbst im Homeoffice und merke erst, wie viel Zeit mein Sohn am Tablet verbringt. Was kann ich tun?“.

Viele Eltern kann Pauly beruhigen: Ein gewisser Medienkonsum ist normal, vor allem, wenn alle anderen Freizeitaktivitäten ausfallen. Er setzt vor allem auf Prävention, bietet zahlreiche Seminare für Eltern an, damit es gar nicht erst zu einer Mediensucht ihrer Kinder kommt. Seine Tipps unter anderem: Feste Nutzungszeiten vereinbaren und vor allem auch medienfreie Zeiten. „Die Vereinbarung kann zum Beispiel lauten: Beim gemeinsamen Abendessen oder beim Familienausflug geht niemand an sein Handy. Das muss dann für alle gelten, auch für die Eltern. Auf der anderen Seite sollte man gewisse Zeiten erlauben. Erwachsene schauen vielleicht abends noch einen Fernsehfilm, ein Jugendlicher darf in der Zeit spielen“, sagt Pauly.

Wichtig sei, dass die Jugendlichen genügend Ausgleich haben – vor allem andere Hobbys, aber auch reale Treffen mit Freunden. Und sie müssen erleben, dass sie wertvoll, richtig und wichtig sind – auch ohne virtuelle Erfolge oder Likes.

„Jetzt sind Aktivitäten glücklicherweise wieder möglich. Wenn Jugendliche sich trotzdem bei schönstem Sommerwetter nur hinter dem PC verkriechen statt mit Freunden an den Badesee zu fahren, sollten sich Eltern Gedanken machen“, ist Paulys Erfahrung.

Der Übergang zu Sucht ist meist fließend, doch es gibt klare Anzeichen für ein Suchtverhalten.: Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, durchgemachte Nächte, eine deutliche Verschlechterung der schulischen Leistungen, hohe Ausgaben in Online-Spielen, aber auch depressive oder aggressive Verhaltensweisen.  Der Experte sagt: „Sucht bedeutet, dass andere wichtige Lebensbereiche komplett vernachlässigt werden. Schule, Familie, Freunde, Hobbys, Sport bis hin zur Ernährung. Gegessen wird, was schnell geht, am besten mit der Konsole in der Hand.“

Unter dieser Situation leiden auch die Betroffenen selbst. Doch nur wenige suchen sich Hilfe, ist Paulys Erfahrung: „Dass die Jugendlichen sich selbst an Beratungsstellen wenden, erlebe ich extrem selten. Sie merken zwar, dass es ihnen nicht gut geht, unternehmen aber nichts dagegen. In der Regel sind es die Eltern.“ Das Konfliktpotenzial in den Familien sei oft groß, eine externe Beratung für beide Seiten hilfreich. Pauly sieht sich als Vermittler. Zum einen vermittelt er als Mediator zwischen den Familienmitgliedern. Zum anderen vermittelt er ganz konkrete Hilfe – etwa Therapieplätze in der Klinik.

„Die Suchtberatungsstellen bieten ein ganz niedrigschwelliges Angebot für den ersten Kontakt und die ersten Schritte. Bei einer krankhaften Sucht ist meist eine wochenlange, stationäre Therapie nötig, um die Hintergründe der Sucht zu klären und einen anderen Umgang mit den Medien zu erlernen“, berichtet Pauly.

Die Therapie sei eine große Herausforderung. Denn: Alkoholiker können zum Beispiel bei ihrem Entzug komplett auf Alkohol verzichten. Sie stoppen ihren Alkoholkonsum vollständig. Das geht bei Medien nicht. Ein Leben ganz ohne Computer und Smartphone ist im Alltag nicht möglich. Deswegen muss die Art und Dauer der Nutzung geändert werden.

Ein Ritual das Medienpädagoge gern mit spielsüchtigen Jugendlichen absolviert: Sie verabschieden sich liebevoll vom genutzten Avatar, also der virtuellen Spielfigur, und beerdigen sie symbolisch. Das Leben soll dann in der echten Welt weitergehen.

Thema des Monats: Erkrankungen bei Jugendlichen

Am 12. August 2022 ist der internationale Tag der Jugend. Die Vereinten Nationen riefen diesen Tag ins Leben, um die Bedeutung der Lebensphase hervorzuheben und die politischen sowie gesellschaftlichen Belange von Jugendlichen in den Fokus zu rücken. Anlässlich des Aktionstages geht es bei uns dieses Mal um Erkrankungen, die Jugendliche häufig betreffen.